Wie glücklich man am Lande war, merkt man erst, wenn das Schiff untergeht.
Seneca
Auf der Suche nach einem schönen Bild für meinen Beitrag über das Stockholm Syndrom, stolperte ich über das Bild der Vasa. Die Vasa war ein Schlachtschiff und sie wäre sicherlich die Perle der schwedischen Kriegsmarine geworden, wenn das Projekt nicht so verdammt schief gelaufen wäre.
Die Vasa ist aber dennoch berühmt geworden, nicht durch ihre gewaltige Feuerkraft von 58 Kanonen und 6 Mösern und ihrer beachtlichen Länge von 61 Metern, sondern durch das Versagen aller Projektbeteiligten und die Lehren, die man heute daraus ziehen kann.
Was war damals geschehen? Der schwedische König Gustav II. Adolf brauchte ein neues Kriegsschiff und bestellte eines in der Werft des Herrn Hybertsson. Der Bau des Schiffes wurde überschattet von diversen Änderungswünschen des Königs, das Schiff noch kolossaler wirken zu lassen und noch mehr Kanonen darauf zu stellen. Da Gustav II. Adolf der König und der Herr Hybertsson nur der Schiffsbaumeister war, wurde alles umgesetzt wie gewünscht. Leider war der Schwerpunkt etwas hoch und die unteren Kanonenluken etwas nah an der Wasserlinie, aber schön war die Vasa.
Die Jungfernfahrt des Schiffes musste Herr Hybertsson glücklicherweise nicht mehr miterleben, er verstarb während der Bauzeit. Sein Nachfolger im Projekt und auch der König konnten die Jungfernfahrt des stolzen Schiffes am 10 August 1628 für 20 Minuten verfolgen, dann sank es nach 1300 Metern im Meer. Erst 1961 konnte es geborgen werden und ist seitdem im Vasa Museum in Stockholm zu bewundern.
Als Projektverantwortlicher lehrt uns die Vasa, die Wünsche des Auftraggebers, unbeeindruckt von seiner Stellung, auch einmal abzulehnen. Es wird vielleicht nicht gerade ein Schiff untergehen, aber die Performance unserer Lösung, der Speicherverbrauch, das Budget und der Zeitplan können absaufen.
Auftraggeber treten sehr selbstbewusst auf und präsentieren mit Leidenschaft ihre Ideen, aber ebenso wie der schwedische König leben sie ohne den Ballast des Expertenwissens und kentern bei der ersten Böe. Die Aufgabe der Projektbeteiligten ist es, die Ideen des Kunden durch eine Problemanalyse und Lösungsfindung zu ersetzen. Wer aus einem falschen verstandenen Servicegedanken die Kundenideen einfach übernimmt, wird zwangsläufig auf Untiefen stoßen.
Auch als Auftraggeber, als Vorgesetzter oder als Projektleiter können wir von der Vasa etwas lernen. Wir müssen den Menschen, die unser Pläne verwirklichen, Mut machen auch unangenehme Wahrheiten zu äußern. Immer wieder interpretieren Vorgesetzte die gute Stimmung oder das Fehlen von Kritik als positives Zeichen. Die Mitarbeiter aber halten sich an das Motto des Schiffsorchester der Titanic, warum für schlechte Stimmung sorgen, wenn die Füße noch nicht nass sind.
Und noch etwas lehrt uns die Vasa über das Arbeiten in Projekten. Obwohl der wütende König damals jemanden bestrafen wollte, konnte die eingesetzte Kommission niemanden finden, der die Schuld an dem Desaster trug. Wenn also alle Mitarbeiter ihren Anweisungen folgen, kann das beste Projekt scheitern ohne das jemand den Kopf verliert.